Mein Viertel ist so toll, hier kann man überall parken.

Sollte es tatsächlich jemanden geben, der sich noch nie bei einer Parkplatzsuche geärgert hat, der/die kennt zumindest jemanden, der/die über die Parkplatzsituation schimpft. Fehlende Parkplätze sind wahrscheinlich ein fast so universelles Smalltalk-Thema wie es das Wetter ist. Will man nun irgendwo, aus welchen Gründen auch immer, Parkplätze streichen, so ist der Aufruhr vorhersehbar.

Aber drehen wir die Aussage doch einmal um. Wenn fehlende Parkplätze ein zuverlässiger Quell des Ärgers sind, sind vorhandene Parkplätze dann ein Punkt, den man positiv erwähnt? Bevor jemand offensichtlich Supermärkte et al nennt, möchte ich es noch genauer formulieren. Hat es je die Aussage gegeben:


Ich wohne in so einem tollen Viertel, da kann man überall parken!


Ich glaube nicht, Tim. Zwar schreien alle, wenn man im Wohnviertel nicht direkt vor dem Loch einen Parkplatz bekommt und wehe dem Unhold, der Parkplätze streichen möchte. Aber werden sie je positiv herausgehoben? Und der Einwand, dass man ein solches „Grundbedürfnis“, wenn es nur vorhanden ist, nicht extra erwähnt, zieht nicht: Andere Grundbedürfnisse wie nahe Bäcker und sonstige Einkaufsgelegenheiten oder sonstige „Belange des Alltags“ gelten absolut als Pro-Argument. Und auch ausreichend vorhandene Parkplätze z. B. bei eben jenen Einkaufsgelegenheiten werden sehr wohl als Argument genannt, oftmals sogar als entscheidendes. Aber in Wohnvierteln? Kann es sein, dass sie dort erst Erwähnung finden, wenn sie abgeschafft werden sollen? Werden Parkplätze vor der eigenen Wohnung als so viel selbstverständlicher und unverrückbar gehalten als anderswo? Warum?

Denn ganz offensichtlich müssen wir sehr sehr vieles aufgeben für den omnipräsenten Raum für ruhendes Blech. Viele Wohngebiete sehen keinen freien Zentimeter Bordstein mehr. Freie Kreuzungsbereiche werden auch zur Seltenheit, da man doch ach so praktisch um die Kurve herum parken kann. Öffentlicher Raum in Wohngebieten verkommt zu einem reinen Parkplatz. Dazwischen hat nichts mehr Platz. Kann und darf der Parkraum wirklich alles andere in den Schatten stellen?

Wir feiern es als Fortschritt, wenn wir demnächst unsere Rad fahrenden Kinder auf dem Gehweg begleiten dürfen. Dass diese Gehwege aber in aller Regel viel zu eng sind, um darauf Rad zu fahren (geschweige denn in Eingriffsreichweite eines Kindes), übersehen wir gerne. Dass abgesenkte Randsteinbereiche regelmäßig zugeparkt sind, was die Kinder zum Absteigen zwingt (sowie erhebliche Probleme für Gehbehinderte mit sich bringt), ebenfalls. Wie angenehm wäre es doch, könnte man ohne geschlossene Parkreihe auf der Straße direkt neben dem Nachwuchs herradeln? Wie übersichtlich wären Kreuzungen, würde die Sicht nicht durch Kurvenparker behindert? Wie sicher wäre man vor zwangsweise sich weit in die Straße vortastende Autofahrer aus Einfahrten?

Aber all das opfern wir dem günstigen, allgegenwärtigen und nahen Parken auf öffentlichem Raum. Kaum eine Wohnung, kaum ein Haus, welches die (Tief-)Garage nicht separat und offensichtlich optional zur Miete/zum Kauf anbietet. Da spart der ein oder andere offenbar gerne den Stellplatz ein – es parkt sich ja so schön auf der Straße. Selbst bei den vielen Fällen, die Parken auf öffentlichem Raum für den Einzelnen unumgänglich machen, muss man sich gewahr werden, dass diese singuläre Zweckreservierung des öffentlichen Raums dennoch nicht gottgegeben, nicht selbstverständlich und schon gar nicht ohne Konsequenzen ist. Es ist kein Recht. Es ist eine gewachsene Unart, ein Nebenprodukt, das uns über den Kopf wächst. Und dann kommt da ein fanatisches Pack, welches Schutzstreifen markieren möchte? Zeter und Mordio!