Gehwegparken?
Eva Weber, OB-Kandidatin der CSU — und wie das in Bayern eben so ist, damit wohl designierte nächste Oberbürgermeisterin Augsburgs — spricht sich also für das Gehwegparken aus. Das ist an sich ein alter Hut. Natürlich gibt es schon diverse Ort, an denen Gehwegparken erlaubt ist, außerdem ist die Ausweitung auf weitere Straßen, in denen Bedarf gesehen wird, schon seit mindestens über zwei Jahren Thema. Wenn es nun eine Oberbürgermeisterkandidatin im Wahlkampf in ihren 30-Punkten-Plan aufnimmt — nicht nur das, sie erwähnt es als ersten (!) Punkt —, ist das dennoch ein gewaltiger Wink mit dem Zaunpfahl (oder ein recht plumper Streichposten in eventuellen Koalitionsverhandlungen).
Jetzt könnte man sagen: ist halt pragmatische Politik. Wenn man in engen Straßen den Gehweg mitbenutzen darf, vielleicht kommen dann Müllabfuhr, Krankenwagen und Feuerwehr wieder besser/eher durch, und wer könnte da etwas dagegen haben? Geparkt wird eh, vielleicht sogar jetzt schon auf dem Gehweg, eine Legalisierung des Status Quo schützt doch nur den „zwangsweise“ Falschparkenden vor Strafe, wo er/sie doch nur die Aufrechterhaltung des (motorisierten, versteht sich) Verkehrs im Sinn hat. Und natürlich wird nur dort das Gehwegparken erlaubt, wo noch „mindestens 1,50 Meter Gehweg“ verbleiben. Da kommt man ja wohl locker vorbei.
Mir ist das zu einfach. Ja, ich kann mir vorstellen, dass in den betroffenen Straßen sogar viele (eine Mehrheit) begrüßen werden, wenn man das Gehwegparken erlaubt. Klar, man fragt ja auch die, die dort ihr Auto abstellen. Abstellen müssen. Weil wie sollte es auch anders gehen. Ums Eck zum Beispiel. Eine Straße weiter. ZWEI Straßen weiter. Häresie, ich muss doch meine fußkranke Oma … Nicht alles, was Hinz und Kunz wollen und befürworten, ist — insbesondere auf lange Sicht — das Beste und Schlaueste für Hinz und Kunz. Und erst recht nicht für alle anderen. Bei allem Pragmatismus steckt hinter einer Ausweitung des Gehwegparkens halt auch die Auffassung: im Zweifel für das Auto, weiter so, mehr als 1,50 Meter braucht eigentlich kein Fußweg zu sein, jeder Zentimeter mehr ist purer Luxus, der gestrichen wird, wenn sich nur genügend PKW-HalterInnen finden, die beklagen, keinen Parkplatz (vor der Wohnung) zu finden.
Dass jeder Autofahrende zum Fußgänger wird, sobald er/sie dem Gefährt entsteigt, scheint niemandem in den Sinn zu kommen. Als denken viele von sich nur aus Autoperspektive. Ich muss parken können, also muss es Parkplätze geben, dann den ganzen Rest. Sind das dieselben, die am Wochenende einen Spaziergang durch ihr Viertel machen und feststellen, dass es hässlich geworden ist, dass man nirgends mehr Platz hat vor lauter Autos, die bemängeln, dass ihre Kinder nicht mehr auf der Straße spielen können (ja nicht einmal mehr auf dem zugeparkten Gehweg)? Dieselben, die ihre Kinder mit dem Auto in die Schule fahren, weil der Schulweg zu gefährlich ist — weil die Übersicht fehlt vor lauter parkendem Blech? Dieselben, die ihre Kinder niemals mit dem Rad fahren lassen — weil VERFLUCHT NOCHMAL WO AUCH wenn sie unter 8 Jahren eben auf dem Gehweg fahren müssen, der aber nun auch noch Autos zum Fraß vorgeworfen werden soll? Auch ist interessant, dass das Abfräsen der Randsteine, damit die parkenden Autos nicht beschädigt werden, nonchalant im Nebensatz fällt. Aber wehe, du willst als RadfahrerIn mal irgendwo eine flache Kante, werden alle zu Behindertenbeauftragten.
Es ist nicht pragmatisch, sich der Last des „Parkdrucks“ zu ergeben. Es ist Kapitulation. Die Handvoll zusätzlichen Raums, zusätzlicher Plätze bringt einen kaum weiter als ein paar Jahre. Dann haben sich die Nachbarn auch noch einen Zweitwagen zugelegt, der Golf ist ein SUV geworden, der nun trotz Gehwegparkens auf der Fahrbahn keinen Platz mehr lässt (oder, schockschwerenot, etwa gar keinen Meterfuffzich Fußweg übrig lässt, was, jaisseszuglauben, wahrscheinlich nie geahndet wird).
Der Luxus, den wir uns leisten, ist, dass der öffentliche Straßenraum (meist) zum Abstellen des Fahrzeugs genutzt werden darf. Es ist der notwendige Luxus, der das Auto überhaupt erst zu der vermeintlich bequemsten Mobilitätslösung werden ließ. Spoiler: Dafür ist uns schon vor längerer Zeit der Platz ausgegangen. Das kaschiert auch nicht, wenn man sich nun an einigen Stellen noch mehr Platz von anderen klaut. Es ist ein kläglicher Diebstahl, ein Erkaufen von etwas Zeit auf Kosten vieler, damit man sich nun ja nicht gleich der Realität stellen muss.
Endlich können die Pendler aus den Umland-Gemeinden im Thelott-Viertel geschmeidig „Gehweg-Parken“!
Daraufhin sollten die Pferseer Pendler aber nicht vergessen werden.
Da durch diese großzügige Parkmöglichkeit das alte Pferseer Tunnel kaum mehr von externen PKWs befahren wird, kann endlich ein sicherer Radstreifen neben den Tramgleisen abmarkiert werden.
Das ist umso wichtiger, da doch die Radler beim neuen Bahnhofs-Tunnel sowieso vergessen wurden.