Vielleicht sind freigegebene Einbahnstraßen ein bisschen wie die Rechtschreibreform. Wer damit aufwächst, sieht gar kein Problem (ich hoffe, heutige Fahrschüler werden ausreichend in solche Straßen geleitet), manch andere müssen erst ins Blut übergegangene Selbstverständlichkeiten über Bord werfen. Die Selbstverständlichkeit, dass einem in einer Einbahnstraße niemand entgegen kommen kann.
Am (willkürlich gewählten) abgebildeten Beispiel sieht man, dass die Beschilderung für mich als “Falschfahrer” zahlreich vorhanden ist – gleich drei Schilder zeigen mir an, dass ich sehr wohl entgegen der Einbahnstraße fahren darf. Für den Verkehr in “richtiger” Richtung hingegen ist die Beschilderung, obwohl völlig korrekt, weit unauffälliger und für Verkehr, der nicht abbiegt, sondern geradeaus in die Sanderstraße einfährt, sogar sehr leicht zu übersehen. Eine “frontale” Beschilderung, etwa am 30-Zonen-Schild, wäre vielleicht deutlicher – ist aber im Regelwerk nicht vorgesehen.
Die Sanderstraße ist zudem ein Beispiel für eine relativ enge Straße, da eine Straßenseite durchaus komplett zugeparkt sein kann (hier könnte man möglicherweise argumentieren, dass durch ein Parkverbot eine Stelle geschaffen werden müsste, die ein Ausweichen zulässt). Wie in jeder anderen “regulären” Straße gilt auch in freigegebenen Einbahnstraßen: Wer das Hindernis auf seiner/ihrer Seite hat, muss dem Gegenverkehr Vorfahrt gewähren. Radgegenverkehr ist in solchen Straßen also nicht nur irgendwie “gedultet”, ihm muss auch entsprechend Platz gemacht/gelassen werden.
Man kann nur allen RadfahrerInnen raten, sich in solchen Einbahnstraßen auf kein gewährtes Recht zu verlassen. Zu neu ist die Regelung, zu leicht ein Zusatzschild zu übersehen. Andererseits müssen alle Beteiligten einfach nur so handeln, wie es ihnen §1 der StVO sowieso aufträgt.