Das … Seltsame? Tragische? Vielsagende? Das jedenfalls vorweg: Die meisten Stellen, die es am Montag Vormittag – nachdem es den Samstag über toujours geschneit hat, es den ganzen Sonntag aber bei rund 0 Grad trocken blieb – hinsichtlich des Winterdienstes zu bemängeln gab, hätte ich benennen können, ohne überhaupt loszufahren.
Was man gegen schlechte Luft tun kann? Der Augsburger Stadtrat weiß Rat. Man muss nur dafür sorgen, dass die Teile, welche die schlechte Luft erzeugen, weniger Zeit in der Stadt verbringen. Und das geht natürlich am besten, wenn sie weniger an Ampeln stehen. Mehr fahren, weniger stehen.
Soviel soll in der Karlstraße und der Grottenau für den Lückenschluss für Radfahrer auf der Ost-West-Achse ausgegeben worden sein. Wieviel davon tatsächlich in die weiße Farbe floss und wieviel eher auf dem Papier existieren und für die generelle Fahrbahnsanierung investiert wurden – geschenkt. Man ist stolz auf dieses Bauwerk und wird nicht müde, es bei den bisherigen Maßnahmen Richtung Fahrradstadt 2020 immer wieder zu erwähnen.
Mir ging von Anfang an der hochtrabende Begriff „Ost-West-Achse“ gegen den Strich. Die Ost-West-Achse bezeichnet ein Verkehrskonstrukt, das für den motorisierten Verkehr erdacht wurde und sich heute seinen Weg durch die Innenstadt bahnt, den seinerzeit die Bombardierung der Stadt „freigab“. Und diese – für den motorisierten Verkehr unbestreitbar wichtige – Trasse hat man mit etwas mehr sichtbarer Radinfrastruktur versehen, ja. Aber deshalb ist es trotzdem nach wie vor eine Strecke, die in allen Belangen den Bedürfnissen des PKW unterworfen ist: 4 Spuren und immer wieder Längsparkreihen für eine Handvoll Kurzzeitparkplätze. Vorher wie nachher.
Würde man heute eine Verkehrszählung durchführen, ich würde eine Menge Geld darauf setzen, dass nicht ein Radfahrer oder eine Radfahrerin mehr diese Strecke nutzt als zuvor und dass die, die sie nutzen, nicht signifikant glücklicher sind. Auf der Suche nach den Gründen muss man nicht nachmessen und über Mindestbreiten und schöngerechnete Abstände zu den Parkreihen hin (die komplett fehlen, natürlich) diskutieren. Viele werden die Achse meiden, weil es eben eine Autostraße ist, die auf jedem Meter schreit, dass sie für Autos da ist, nur für Autos und nichts außer Autos. Ob man da irgendwie einen Radfahrstreifen untergebracht hat ist völlig belanglos, wenn das Ziel heißt, neue RadfahrerInnen zu generieren. Oder glaubt wirklich jemand daran, dass eine Spießrutenfahrt zwischen genervten PKW/LKW-LenkerInnen auf der einen und schlampig geparkten Blechlawinen auf der anderen Seite unsichere RadfahrerInnen dazu verleitet, freudig die Karlstraße auf und ab zu fahren? Oder Eltern ihre Kinder sorgenfrei zur Schule fahren lassen?
Natürlich gibt es Verkehrsachsen, die vor allem die PKW-Massen in, aus und durch die Stadt leiten und auf diesen werden andere Verkehrsteilnehmer immer eine untergeordnete Rolle spielen. Aber die Karlstraße führt nun einmal mitten durch das Zentrum, am Ausgang der Fußgängerzone vorbei. So notwendig eine Kreuzung des Zentrums sein mag und so kompliziert eine Umleitung um das Zentrum herum, so verkehrt ist aber halt eine vierspurige Autobahn an dieser Stelle. Und wenn schon der Rückbau auf zwei Spuren zu utopisch klingt, warum scheint es beinahe noch undenkbarer, sich endlich von den Kurzzeitparkplätzen (weitgehend) zu verabschieden?
Weit mehr als die pure Blechlawine stellen die Parkreihen ein Gefahrenpotenzial und eine Quelle für ein latentes Unsicherheitsgefühl dar. Zum Einparken müssen PKW die Radspur überqueren. Sie sind dabei durch den fließenden Verkehr sowieso schon in Hektik, was zu genau jenem schlampigen Einparken führt, das man auf den Bildern sieht. Und parkt einer beknackt, haben es die nachfolgenden Parker noch schwerer. So schwindet der begrenzte Platz für Radfahrer immer weiter. Dass die Karlstraße Richtung Theater – wenngleich minimal – ansteigt, macht die Sache auch nicht angenehmer. Viele RadfahrerInnen werden langsam und benötigen noch mehr Platz, den sie nicht haben. In Gegenrichtung werden RadfahrerInnen dafür umso schneller, womit manchmal weder Radfahrer noch alle anderen Verkehrsteilnehmer umgehen können. Und ob die Radspur nun auf der Fahrbahn oder dem Hochbord verläuft, ist völlig unerheblich: Weiter unten in der Jakoberstraße ist der lachhafte Radstreifen zwischen Schaufenstern und Parkstreifen ein Paradebeispiel für unbenutzbare und damit abschreckende Infrastruktur. Der Verzicht auf Parkplätze – vielleicht nicht alle, aber ganz sicher die meisten; in der Karlstraße absolut alle – würde einimmenses Quell an Unsicherheit für RadfahrerInnen eliminieren und noch dazu eine Menge zusätzlichen Platz schaffen.
Und diese Kurzzeitparkplätze können unmöglich überlebensnotwendig für eine Innenstadt sein. Was anderes als „schnell-rein-und-wieder-raus“ Kundschaft sollen solche Parkplätze bringen? Ja, einige Kunden würden verloren gehen, aber sicher nicht alle. Vielmehr scheint es mir naheliegend, dass mensch dann eben drei, vier solcher kleinen Erledigungen in einem etwas längeren Besuch der Innenstadt zusammenfasst – und dabei potenziell mehr Geld durch zusätzliche Spontankäufe lässt als durch die albernen Semmeltasten-Sprints (Semmeltaste: kostenfreies Parken an Parkscheinautomaten für 30 Minuten).
Wie ich schon mal schrieb: Radinfrastruktur muss sich daran messen lassen, ob sie in der Lage ist, zusätzliches Radfahrpotenzial zu erschließen. Insbesondere, wenn man 800.000 Euro dafür ausgegeben haben will. Ich hoffe, der Blick ist an den entscheidenden Stellen nicht nur auf das Abarbeiten einer Agenda gerichtet, sondern evaluiert die geschaffenen Angebote mit nachvollziehbaren, öffentlichen Daten.
Das Projekt Fahrradstadt 2020 hat das Ziel, den Radverkehrsanteil in Augsburg (grob) zu verdoppeln. Wenn das nicht nur bei angenehmen 20 Grad Sonnenschein gelten soll, wäre es eine Riesenidee, im Winter die Radwege freizuräumen. Nicht, dass man durch den weichen Matsch hier nicht durchkäme, und auch ungeachtet der Tatsache, dass aus dem Matsch nach etwas Nachtfrost ein sehr unangenehm festes Spurrillen-Eis-Gemisch wird. Aber uferlose Matschpfützen sind, auch wenn man das gar nicht glauben mag, in einer Diskussion über den Spaß am Radfahren in der Stadt ein echt beschissenes Argument.
Nachdem diese Meldung besagte, dass die “Ost-West-Radachse” nun lückenlos befahrbar sei, wollte ich das doch auch gleich ausprobieren. Denn ehrlich gesagt geht mir bei der Wortwahl ein wenig der Hut hoch. Zum einen der Begriff “Radachse”. Das klingt so, als sei das eine Hauptverkehrsader, der Weg, den man nehmen sollte, um schnellstmöglich von Ost nach West (oder andersrum) durch die Stadt zu kommen. Der Weg, der am besten ausgebaut ist. Zum anderen ist stets die Rede davon, dass diese Achse nun “geschlossen” sei – durch den Radweg in der Grottenau. Die Wortwahl hat in diesem Zusammenhang stets etwas abschließendes an sich. Und wehe, die Politik ist der Meinung, dass etwas abgeschlossen sei.
Wir haben also nicht nur eine Radachse, sondern auch noch eine abgeschlossene. Bin ich übermäßig wortkläuberisch, wenn ich dann auch einen Radweg par excellence erwarte? Eine Strecke, die vom ersten bis zum letzten Meter auf dem Stand der Dinge ist, soweit es der vorhandene Platz eben zulässt?
Die erste Bilderstrecke zeigt den Weg von Westen (Hauptbahnhof) nach Osten (Jakobertor). Es gibt gute und weniger gute Abschnitte. Der Weg zeigt fast exemplarisch, wie unterschiedlich Radwege konzipiert sind. Es beginnt als Radweg, wird zur Radspur, entlässt einen dann kurz ganz auf die Fahrspur (oder leitet einen auf den Fußweg), dann wieder auf einen Radweg, durch Bushaltestellen hindurch, wieder auf eine Radspur um dann 100 Meter vor der Jakobertorkreuzung zu enden. Die Kreuzungsbereiche auf der Achse sind zwar alle von der besseren Sorte, zeigen aber alle verschiedenen Ampelarten, die man haben kann: kombinierte Fußgänger-/Radfahrerampeln, eigene Radampeln (an unterschiedlichen Stellen montiert) und reine Fußgängerampeln (wo man sich also an die Fahrzeugampel zu halten hat). Eine einheitliche Ampel-Systematik würde es allen Verkehrsteilnehmern erleichtern, Abläufe und potentielle Gefahren insbesondere beim Abbiegen zu verinnerlichen. Durch den ständigen Wechsel hingegen muss man sich nicht wundern, wenn z. B. die speziellen Radampeln komplett übersehen werden oder RadfahrerInnen auf das falsche Lichtsignal reagieren.
Die Bushaltestelle wurde in die Straße verlegt, der Konflikt mit der Ausfahrt bleibt. Ob die Fahrbahn nicht die bessere Wahl wäre?
Neuer Fahrbahnbelag, aber die Erneuerung der Fahrbahnmarkierung hielt man nicht für notwendig.
Aufgrund einer Lieferzone habe man hier den Radweg unterbrechen müssen. Aber gleich suggerieren, der Fußweg sei der nächstbeste Weg?
Eine Radverkehrsführung direkt an der Straße statt hinter der Bushaltestelle würde imho den potentiellen Konflikt mit Abbiegern an der Kennedykreuzung entschärfen.
Eigene Radampel, keine Verkehrshindernisinsel in der Mitte - prima. Bleibt zu hoffen, dass die Radampel vom Abbiegeverkehr auch beachtet wird.
Das Hochboard muss aus baurechtlichen Gründen wohl sein. Also muss der unterschiedliche Belag als Trennung zwischen Rad- und Fußgängerbereich genügen.
Unterbrechung der Radspur durch die Bushaltestelle. Geht das wirklich nicht besser?
Radspuren sind immer auch beliebte Schilderabstellplätze.
Eigene Radampel - gut. Aber mal wieder ein anderer Anbringungsort. Zudem kein Vorsprung für Radfahrer durch früheres Grünsignal.
Was man sich in der Prinzregentenstraße traute (Verlegung der Haltestelle in die Straße), traut man sich in der Pilgerhausstr. offensichtlich nicht.
Baulich bedingt eine sehr unübersichtliche Stelle, die durch ein nachträglich angebrachtes Gitter entschärft werden sollte. Fußgänger findet man dennoch immer wieder auf dem Radweg.
Die Gegenrichtung, also vom Jakobertor zurück Richtung Hauptbahnhof, ist die imho schrecklichere. Das fängt schon mit dem Jakobertor an – für das man jetzt schlecht jemanden verantwortlich machen kann. Das steht da eben und ist in dieser Richtung richtig eng. Die Farce von Radweg, die man dort beschildert hat, sollte man aber ehrlicherweise einfach ganz sein lassen (Update: zwar ist der Weg durch das Tor nun asphaltiert, breiter wird der Weg deshalb aber auch nicht – der Weg im Tor sollte komplett entfernt werden und der Radverkehr auf der Fahrbahn geleitet werden). Das anschließende Stück Radweg zwischen parkenden Autos und Schaufenstern zählt sicher auch zu den dringendsten Aufgaben im Augsburger Radverkehr. Da sich mit dem Abriss der Augusta-Brauerei-Gebäude und der Umgestaltung des Jakobertorplatzes die nächste Großbaustelle schon abzeichnet, darf man ja darauf hoffen, dass sich dann auch die Wegführung für Radfahrer verbessert. Weniger Hoffnung besteht da in der Karlstraße. Denn die ist soeben neu gemacht und Herzstück der “Schließung” der Rad-Achse. Nur leider fährt man hier mit dem Rad direkt nach einer Kreuzung in eine Bushaltestelle – ohne Ausweichmöglichkeit. Ich durfte hier schon eingeklemmt zwischen zwei Bussen warten.
Ein Hauch von Belgien
Manche nennen es Mutprobe, Augsburg nennt es Radachse (mittlerweile immerhin asphaltiert)
RadfahrerInnen haben die Wahl der Tortur: Öffnende Beifahrertüren oder unachtsame Passanten.
Mal wieder: unübersichtliche Bebauung. Fußgänger tauchen urplötzlich aus den Torbögen auf.
Straße-Hochboard-Straße-Hochboard. Ein ewiges Hin und Her, teils auf uralten, holprigen Wegen.
Konflikt mit Fußgängern in 3,2,1.
Die Markierung könnte noch besser werden.
Eigene Radampel - gut. Aber zu vielen Zeiten ist das Hochboard voller Fußgänger.
Sehr ärgerlich: Unterbrechung des Radwegs durch die Bushaltestelle, direkt hinter der Kreuzung. Ist die Bushaltestelle besetzt, steht man blöd da.
Getrennte Radspuren, getrennte Radampeln. Gut gemeint, aber ob das bei steigendem Verkehrsaufkommen funktioniert?
Radweg mit eingebauter Versteckfunktion.
Dass man nun selbst bei geringem Verkehr in der Grottenau den PKW-Verkehr leicht stehenlässt täuscht für meine Begriffe nur wenig darüber hinweg, dass auch und gerade in dieser Fahrtrichtung der Radweg weit weg von einer optimalen Ausgestaltung ist. In manchen Bereichen dürfte es wegen der Bauwerke schwer (oder beim Jakobertor unmöglich?) werden, eine gute Lösung zu finden. In anderen Bereichen ist der Radweg einfach überaltert und schlecht markiert bzw. schlecht angelegt. Wie in der Gegenrichtung zeigt sich das ewige Durcheinander von Radwegen und Radspuren und unterschiedlichen Lichtanlagen. Und die Praxis zeigt leider auch, dass der neue Radstreifen auf der Fahrbahn nur allzu gerne als Kurzparkzone für den Lieferverkehr genutzt wird. Pikanterweise legt dieses Verhalten erst der neue Radstreifen nahe – vorher war die Schwelle stehenzubleiben deutlich höher, da man direkt den PKW-Verkehr behinderte. Allerdings darf man das optimistisch auch einfach als Umgewöhnungsphase betrachten – dem Ordnungsdienst sollten die Stellen mehr als bekannt sein.
Rad-Achse. Ich hänge mich wahrscheinlich zu sehr an diesem Begriff auf, den irgendjemand aus der Stadtplanung in seinem Buch zum VHS-Kurs “Marketing für jedermann” gefunden hat und seither euphorisch einsetzt. Aber eine Radspur in der Grottenau ist zwar schön, wirklich gut, jedoch – mit Verlaub – keine Radachse. Es ist ein Flickenteppich. Nicht einmal einer ohne Löcher (Lücke in der Prinzregentenstraße und Unterbrechung durch Bushaltestelle in der Karlstraße). Wenigstens gleiche Lichtzeichen wären doch kein großer Aufwand, oder? Dass Bushaltestellen ein schwer aufzulösendes Problem sind – geschenkt. Dass Radwege und Radspuren gemischt sind – verständlich. Zugutehalten kann man der Strecke, dass man nie in flachem Winkel über Bordsteine von der Straße auf einen Radweg wechseln muss. Man kann auch noch auf Besserung hoffen, da die Jakoberstraße wohl noch umgebaut werden wird. Aber eine Rad-Achse? Wenn das hier das höchste der Gefühle ist, das Nonplusultra an Streckenführung, dann hängt die Latte aber erschreckend niedrig.