Wozu stellen wir Schilder auf? Eine Polemik und ein Aufruf.

Uuuuh, ein Lieferant steht im Halteverbot, LYNCHT IHN! Nein, darum soll es nicht gehen. Eher schon um die weiteren fünf (!) PKW, die bis zum roten Pfeil parken – dort erst endet das absolute Halteverbot. Aber auch diese speziellen Falschparker an dieser speziellen Stelle zu dieser speziellen Zeit stehen nur stellvertretend für das Phänomen, dass man (gefühlt) an jeder beliebigen Stelle zu jeder beliebigen Zeit beliebig viele – ungeahndete – Falschparker sieht. Und einem Kommunen gleichzeitig erzählen, es sei „unrentabel“, den Ordnungsdienst aufzustocken.

Die fünf Falschparker im Bild bekommt man hier – ganz ohne Übertreibung – jeden einzelnen Tag zusammen. Ergäbe rechnerisch 27.375 Euro im Jahr, welche die Stadt, wenn man sich den Straßenzustand ansieht, ganz gut gebrauchen könnte. Milchmädchen beiseite soll es aber nicht darum gehen, die Verfolgung jedes Parkvergehens zu fordern. Es ist einfach nur (m)eine Beobachtung, dass das Ausweisen von Parkverboten kein auch nur noch ansatzweise funktionierendes Mittel zur Gestaltung von Verkehrsräumen ist. Über 90% der Zeit stehen PKW herum, und sie überall hinzustellen scheint zunehmend als Grundrecht wahrgenommen zu werden.

Weil – imho – zu viel öffentlicher Raum für kostenfreies Parken zur Verfügung gestellt wird, sodass all jene Stellen, an denen es nicht erlaubt ist, zunehmend ignoriert werden – da die Vorstellung eines „Parkverbots“ in manchen Köpfen scheinbar nicht mehr möglich ist. „Aber wo soll ich denn sonst parken“ ist nicht umsonst eine Ausrede unserer Zeit. Als sei Parken ein irgendwie geartetes Grundrecht. Als könne es nicht sein, dass Parkraum irgendwann auch einfach zu Ende ist. Dass es das Bedürfnis gibt ist unbestritten. Dass es von Nutzen ist, sein Gefährt abstellen zu können, ebenso. Aber unsere Städte sind nicht (mehr) in der Lage, dies für jeden und immerdar anzubieten. Und jenseits dieser Grenze verkehrt sich auch der Nutzen ins Gegenteil. Falschparkende PKW stehen ja nicht nur Nicht-PKW im Weg. Sie stehen allen im Weg, sich selbst inbegriffen.

Die ewige Forderung nach immer mehr Parkraum ist schon lange nicht mehr als Selbstbetrug und Selbstsabotage. Niemand will ernsthaft den öffentlichen Raum für Parkplätze verschwenden. Wir wollen unter Bäumen sitzen, wir wollen auf Prachtstraßen flanieren, wir wollen uns auf Plätzen treffen. Ja, da wollen und müssen wir natürlich auch erst einmal hinkommen. Vor der Erkenntnis, dass der MIV hierfür vielleicht nicht mehr das geeignete Mittel der Wahl ist, stellen wir uns offensichtlich lieber einfach ins Halteverbot. Weder wären Knöllchen wohl dazu geeignet, zu einem Umdenken zu gelangen, noch wäre es eine Lösung, die man sich wünschen sollte. Vielleicht könnte nur jeder einzelne das nächste Mal überlegen, ob er nicht mal das Rad oder die Tram nimmt.